
Single Issue war gestern
Eine rechte âCorona-Demoâ gehört auch schon fast zur Tradition. Auch sie gibt es bereits das dritte Jahr. Auch hier wirkt auf den ersten Blick alles traditionell: viele Ă€ltere Teilnehmer*innnen, sehr viele Ăsterreich-Fahnen und einiges an Verschwörungstheorien.
Ăberraschend war, dass diese Demo groĂen Zuspruch erhielt. Womöglich war es die gröĂte Demonstration an diesem Tag. [2] Ihr Erfolg lĂ€sst sich wohl damit erklĂ€ren, dass sie nicht mehr nur âCoronaâ als einziges Thema bedient. Es war zwar weiterhin sowohl bei der Demo selbst als auch im Vorfeld bei den versachiedenen Aufrufen stark prĂ€sent. Doch daneben gab es andere Themen. So wurde gegen die westliche MilitĂ€runterstĂŒtzung genauso wie gegen die Verarmung demonstriert. Damit sind sie deutlich nĂ€her am Puls der Zeit als die meisten Linken.
Linke Themen?
Sie greifen damit Themen, die in der Vergangenheit stark von Linken besetzt waren, auf. Antimilitarismus und soziale KĂ€mpfe sind nicht nur linke Kernthemen; ohne sie lĂ€sst sich die Enstehung und Entwicklung der verschiedensten linken Bewegungen nicht verstehen. Von Seiten der “Corona-Demos” werden diese Themen aufgegriffen und entsprechend nationalistisch und verschwörungstheoretisch geframed. Hier entsteht die gefahr eines massiven Sozialprotestes von rechts.
Die StĂ€rke der rechten Demo hat folglich viel mit der SchwĂ€che der Linken zu tun. Es reicht eben nicht, an 364 Tagen Arbeit (bzw.-slosigkeit) unpolitisch zu betrachten, und es nur am 365. Tag auf die Agenda zu setzen. Es reicht nicht, selbstbezogen ausschlieĂlich im Lesekreis zu debatieren. Es reicht nicht, anstatt konkreter ArbeitskĂ€mpfe zu fĂŒhren, nur auf Symbole und Geschichte zu setzen. [3]
Antifaschistischer Selbstschutz & SolidaritÀt?
ZurĂŒck zum Ablauf der Aktionen am 1.Mai. Die einzelnen Kundgebungen und Demonstrationen hatten nur wenig BerĂŒhrungspunkte. Ab 8:00 hielt die SPĂ ihre Kundgebung am Rathausplatz ab. Mehrere Mini-Demos zogen von den Bezirken dorthin. Um 11:00 trafen sich Kommunist*innen bei der Oper. Die demonstrierten ĂŒber den Ring zum Votivpark, wo ein internationalistisches Fest stattfand. Dorst trafen sich am Nachmittag auch die Teilnehmer*innen der Mayday, welche um ca. 17:00 in Richtung Yppenplatz losging.
Die âCorona-Demoâ sammelte sich ab 13:30 und ging ab 15:00 rund um den Ring. Just in dem Moment, in dem sie sich dem StraĂenfest nĂ€herte, zog die Mayday-Demo stadtauswĂ€rts los und lieĂ ca. 100 Menschen am Votivpark zurĂŒck. Zwar war die Gefahr eines rechten Angriffs wegen der massiven PolizeiprĂ€senz gering. Dennoch war dieses Verhalten das simple Gegenteil von SolidaritĂ€t. So blieb trotz mancher guten Aktion wĂ€hrend der Demo (Farbe auf Abschiebeknast und Polizei) ein schaler Nachgeschmack.
Ouvre la Fenestre!
Zusammengefasst ergibt sich ein desaströses Bild. Die verschiedenen linken Gruppen und Bewegungen sind in ihrer selbstgezogenen Retropolitik gefangen. Auf VerÀnderungen reagieren sie kaum. Im Gegensatz dazu schafften es die ehemaligen Corona-Demos, ihre Single-Issue Politik hinter sich zu lassen. Sie ist damit erfolgreich. Ein Sozialprotest von rechts droht. [4]
Linke Bewegungen haben jetzt die Möglichkeit: Sie können sich mit SprĂŒchen wie âEs war ein starker, kĂ€mpferischer und lauter 1. Mai. Bis zum nĂ€chsten Jahr!â selbst die Welt schön lĂŒgen, die Retro-Zeitkapsel nicht verlassen, und in die selbstverschuldete Bedeutungslosigkeit versinken. Oder wir können uns selbstkritisch den Herausforderungen stellen.
Ende der 70er Jahre gab es unter den K-Gruppen den Slogan âOuvre la Fenestre!â â âĂffnet die Fenster!â [5]
Gemeint war eine Abwendung von einer starren, dogmatischen Linie und die Ăffnung hin zur neu entstandenen BĂŒrger*innen- und Umweltbewegung. Eine Ă€hnliche Frischluftkur wĂŒrde den Linken der heutigen Zeit auch guttun.
Quelle: Emrawi.org