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Neulich zappte ich noch mal halb lustlos durch den Film Extinction von 2018, entschied mich entgegen, ihn anzuschauen und glotzte stattdessen um runterzukommen irgendeinen anderen Trash. Muss auch mal sein, aber in ein Feuer zu starren hätte mich vermutlich besser entspannt. In unserer Erlebnisgesellschaft kann Entspannung aber nur durch Aufregung produziert werden und so gelangen wir weder richtig zur Ruhe, noch häufig zur selbstbestimmten Aktivität.
Im Film hat ein Typ, der Ingenieur ist, gruselige Albträume einer kommenden Invasion durch Außerirdische. Alle meinen, er müsse mal zum Kopfdoktor gehen, bis die Aliens dann tatsächlich kommen – Pech gehabt. Glücklicherweise hat der Protagonist durch seine Gabe der Vorhersehung einige Ideen, wie sich das Ganze dann deichseln lässt. Komischerweise stellt sich dann aber heraus, dass die Aliens gar nicht so andersartig wie Menschen, sondern selbst welche sind, während die Erdbewohner*innen selbst ihre künstlichen Seiten entdecken. – Das ist ein relativ interessanter Move im Film.

Die Verfilmung der Apokalypse ist ein eigenes Genre mit seinen wiederkehrenden Aspekten. In der Abwandlungen kommen Aliens, Monster, Roboter und/oder Naturkatsstrophen wie Seuchen, Asteroide, Hurrikans gefühlt aus dem Nichts und zergrätschen das harmonische Zusammenleben. Ziemlich lästig und unangenehm das Ganze, wenn man bedenkt, dass viele sterben. Um zu verhindern, dass alle sterben, muss dann ein erwählter Superheld mit besonderer Begabung – eine moderne Jesus-Figur sozusagen – auftreten um die Menschheit zu retten. Klassischerweise ist es ein Familienvater, der neben allen anderen dann noch seine Kleinfamilie beschützt. In der Regel stehen diese dann am Ende des Films umarmt vor den rauchenden Trümmern der alten Welt, die am Anbruch der neuen steht.
Anarchist*innen gehen die Wette ein, dass die Apokalypse in diesem Sinne nichts schlechteres verheißt, als die Katastrophe der gegenwärtigen Gesellschaftsform. Und dafür spricht vieles. Wenn man sich ernsthaft vor Augen hält, welch zerstörerische, grausame und irrationale Folgen die bestehende Herrschaftsordnung mit sich bringt und auf welcher Gewalt ihre Grundlagen beruhen, wünscht man sich doch, es käme einfach mal ein Stein vom Himmel gefallen oder irgendein Monster aus der Kiste gekrochen – und der Superheld hätte vielleicht keine Zeit an diesem Tag, weil er zum Beispiel selbst depressiv und nicht weiß, ob es sich lohnt, die Menschheit zu retten.
Die Storyline im Apokalyptik-Genre besteht immer im unerwarteten Einbruch des Bösartigen in einen als harmonisch, friedlich und natürlich konstruierten, guten Zustand der Gesellschaft. Dies ist der erste hochgradig ideologische Aspekt, denn es wird eine vermeintlich klare Unterscheidung unterstellt, mit welcher das Bestehende unhinterfragbar gerechtfertigt wird.
Der zweite besteht darin, dass es die einzelnen Held*innen sind, welche aufgrund ihrer besonderen Begabung zu Erlöser*innen stilisiert werden, auf welche die Zuschauenden ihre Hoffnungen setzen – und sich deswegen zu passiven Konsument*innen degradieren. Heldenfiguren sind Repräsentat*innen, nicht anders als König*innen, die beim Anbruch der neuen Ordnung, wieder auf den Thron steigen. Die Revolution ist damit trotz aller grundlegenden Umwälzungen im Kern tatsächlich konservativ. Ironischerweise folgen selbst die Held*innen der Notwendigkeit, einer scheinbar eindeutigen Mission, der sie ihr eigenes Leben unterordnen, statt selbstbestimmte Subjekte zu sein, welche für eine andere Welt kämpfen.
Drittens wird das Andere / der Feind / das Böse als von Außen kommende, fremde Über-Macht konstruiert, die es zurückzudrängen, ja, zu zerschlagen gilt. Der erwähnte Film Extinction bricht dieses Narrativ auf relativ interessante Weise auf – reproduziert es damit aber dennoch. Blöderweise können sich die Zuschauenden dabei die Bedrohung imaginieren, wie es in ihr eigenes Weltbild passt. Für Linke sind die Orks die Faschos, für Faschos sind sie Migrant*innen und für Besitzbürger*innen der aufgehetzte Pöbel. In jedem Fall geschieht eine Abwertung und Entmenschlichung des Gegenübers, um das eigene Lager und die vorherige Ordnung in jeglicher Hinsicht moralisch zu rechtfertigen.
Viertens ist auch die zeitliche Dimension apokalyptischer Erwartung ideologisch geprägt. Sie findet immer in der Zukunft und als Unterbrechung statt. Stattdessen besteht die Apokalypse in welcher wir tatsächlich leben – in der alltäglichen Vernichtung von Lebensformen auf diesem Planeten; im Verrecken-lassen von Flüchtenden in Meeren, Wüsten und Lagern; in miserablen Arbeitsbedingungen, von der strukturellen Ausbeutung hin zur direkten Sklaverei; in politischer Unterdrückung, der Ermordung und dem Wegsperren von Oppositionellen weltweit.
Die globale Mittelklasse hingegen, kommt nach ihrem ehrenwerten Arbeitstag zur realisierten oder noch-nicht-realisierten Kleinfamilie nach Hause, schickt die vorhandenen oder imaginierten Kinder ins Bett und zieht sich einen Apokalypse-Film rein um Entspannung durch Aufregung zu erzielen. Im langweiligen Alltag, mit seiner relativen Absicherung, seinen variablen Konsummöglichkeiten, genormten Verhaltenskonventionen und beschränkten Lebensvorstellungen, werden die Zuschauenden passiviert. Besonders Bürgerliche, die in Identitätskrisen geraten und ihre Psyche nicht länger integrieren können, meinen die Apokalypse anrollen zu spüren, wenden sich verschwörungsmythologischem Denkmustern zu und bauen einen Bunker in ihrem Garten.
Auch in vielen Ausprägungen des anarchistischen Denkens geht es um eine Neuschöpfung der Welt, zumindest um eine „Rekonstruktion“ der Gesellschaft auf solidarischen, gleichen und freiheitlichen Grundlagen. Überlegungen zu einem großen Bruch können hilfreich sein und motivieren, den Arsch hochzukriegen, Dinge anders zu machen und die eigenen Aktivitäten auf die Verwirklichung einer libertär-sozialistischen Gesellschaftsform hin auszurichten.
Realität ist jedoch, dass gesellschaftlicher Wandel stets ein langanhaltender, alltäglicher und unspektakulärer Prozess ist, den wir gerade deswegen voranbringen und mitgestalten können. Die Ohnmacht, Passivität und Konsumhaltung, welche Apokalypse-Filme produzieren ist deswegen in eine echte Ermächtigung vielfältiger unterdrückter und ausgebeuteter Gruppen zu wenden. Damit gelangen wir zu einem anderen Ort, der im prophetischen Sinne in der Tat bereits überall aufscheint, wenn wir ihn suchen und wahrnehmen wollen.
Quelle: Paradox-a.de