Statement zum Verbot der Demos zum Nakba-Tag und der SolidaritÀt mit PalÀstinenser*innen
Am 13., 14. und 15. Mai sollten in Berlin Demonstrationen anlĂ€sslich der Nakba, also der Vertreibung und Flucht von hunderttausenden PalĂ€stinenser*innen im Rahmen der StaatsgrĂŒndung Israels, stattfinden. Diese wurden kurzfristig von der Polizei verboten. Es waren allerdings nicht die ersten pro-palĂ€stinensischen Demos, die aufgrund eines Generalverdachts pauschal verboten wurden. Ausgangspunkt bzw. zentrale Rechtfertigung waren die Vorkommnisse auf einer Demo am 23.04. in SolidaritĂ€t mit den von RĂ€umungen und Repression betroffenen PalĂ€stinenser*innen in Jerusalem, an der 2000 Menschen teilnahmen. Dort nahm auch eine kleine Gruppe Jugendlicher teil, die antisemitische Parolen und Beleidigungen wie “Drecksjude” riefen. Das ist selbstverstĂ€ndlich zu verurteilen und eine Thematisierung solcher VorfĂ€lle muss stattfinden. Nicht thematisiert wurde von einem GroĂteil der Presse und Politik jedoch, dass diese Gruppe nicht an der Organisation der Demo beteiligt war, sich die Organisator*innen davon klar distanzierten und die Gruppe nach Kenntnisnahme noch vor Ort abzudrĂ€ngen versuchten. Stattdessen wurde das Narrativ aufgebaut, jede Demonstration von PalĂ€stinenser*innen und mit ihnen solidarischen Menschen sei generell des Antisemitismus verdĂ€chtig. Auf dieser Grundlage wurden zunĂ€chst bis zum 1. Mai alle pro-palĂ€stinensischen Demonstrationen verboten, ungeachtet ihres Inhalts. Wir kennnen diese Argumentation bereits aus dem rassistischen Diskurs ĂŒber “importierten Antisemitismus”, bei dem muslimisch gelesenen Menschen pauschal unterstellt wird, vermutlich Antisemiten zu sein, wĂ€hrend der nie weg gewesene Antisemitismus in der deutschen Mehrheitsgesellschaft zunehmend ausgeblendet wird.
WĂ€hrend Querdenker*innen ihren antisemitischen und Shoa-relativierenden Verschwörungsideologien freien Lauf lassen können (man erinnere etwa an gelbe Sterne mit âungeimpftâ-Aufdruck) und seit nun schon knapp zwei Jahren ungestört jeden Montag demonstrieren dĂŒrfen, wurden nun kurzfristig fĂŒnf weitere internationalistische Demonstrationen im Rahmen des Nakba-Tags verboten.
BegrĂŒndet wurde dieses Vorgehen damit, dass Gewalttaten, Volksverhetzung und antisemitische ĂuĂerungen zu erwarten seien. In dem Bescheid war unter anderem davon die Rede, aufgrund der Erfahrungen in der Vergangenheit könne davon augegangen werden, dass Flaschen und Steine geworfen sowie Pyro gezĂŒndet werde – eine auf rein annekdotischer Analogie fuĂende BegrĂŒndung, mit der zahlreiche linke Demonstrationen auch auĂerhalb des pro-palĂ€stinensichen Spektrums verboten werden könnten. Das ist umso mehr ein Grund, hierzu zu nicht zu schweigen und unsere SolidaritĂ€t zu zeigen.
Wir verurteilen die bei dem Demoverboten angelegten Doppelstandards aufs SchĂ€rfste. WĂ€hrend es auf nahezu jeder Querdenker*innen Demo zu antisemitischen ĂuĂerungen kommt, werden hier palĂ€stinensische Aktivist*innen unter Generalverdacht gestellt und kriminalisiert. Selbst eine spontan angemeldete Demonstration der Gruppe “JĂŒdische Stimme fĂŒr gerechten Frieden in Nahost” anlĂ€sslich der getöteten Journalistin Shireeen Abu Akleh, wurde als “Ersatzveranstaltung” verboten. Das dies selbst der Veranstaltung einer (linken) jĂŒdischen Organisation wiederfuhr, zeigt, dass es nicht um den Kampf gegen Antisemitismus ging, sondern um die Repression gegenĂŒber einer Bewegung, die der deutschen StaatsrĂ€son widerspricht. SchlieĂlich reichte es am 15. Mai bereits, am Hermannplatz, dem Ort der ursprĂŒnglich angemeldeten Demonstration zu sein und Kuffiya oder Kleidung in den Farben rot, grĂŒn, weiĂ oder schwarz zu tragen, um von der Polizei als verdĂ€chtig behandelt zu werden. Menschen, die trotz des Verbots auf die StraĂe gingen wurden an WĂ€nde und zu Boden gedrĂŒckt, unter Zwang abgefĂŒhrt, stundenlang eingekesselt und vereinzelt sogar krankenhausreif geschlagen. Von bis zu 170 Personen wurden Personalien aufgenommen, Platzverweise ausgeprochen und teilweise Festnahmen durchgefĂŒhrt.
Wir solidarisieren uns mit den Genoss*innen, die ihr Demonstrationsrecht in Anspruch nehmen wollten und fordern: keinen Genralverdacht gegen palĂ€stinensische und linke jĂŒdische Aktivist*innen und einen konsequenten Kampf gegen antipalĂ€stinensichen Rassismus sowie jedweden Antisemitismus!
North-East Antifascists [NEA] (Juni 2022)
www.antifa-nordost.org | nea[at]riseup.net
Quelle: De.indymedia.org