November 17, 2020
Von InfoRiot
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Nauen – Während eines Stadtrundgangs wiesen Mitglieder des Allgemeinen Behindertenverbandes des Landes Brandenburg auf vielfältige Barrieren im öffentlichen Raum Nauens hin.

Obwohl Peter Fior­in (70) nur 900 Meter ent­fer­nt von der Mit­tel­bran­den­bur­gis­chen Sparkasse (MBS) in Nauen wohnt, muss er sich für jeden Besuch in der Goethes­traße 59 ein Taxi auf eigene Rech­nung nehmen. Trotz­dem kommt der Roll­stuhlfahrer dann nicht in die MBS rein. Denn sie hat keinen behin­derten­gerecht­en Zugang. „Ich muss klin­geln, dann schlep­pen mich die Banker samt Roll­stuhl in die Sparkasse rein“, sagt Peter Fior­in. Mit seinem anderen Elek­tro-Rol­li kön­nte er auch selb­st zur Bank fahren und sich das Tax­igeld sparen. „Doch der E‑Rolli ist so schw­er, dass den auch der kräftig­ste Banker nicht anheben kön­nte. Also muss ich den leicht­en Rol­li und das Taxi nehmen“, sagt Peter Fior­in, der aus gesund­heitlichen Grün­den die 900 Meter manuell nicht bewälti­gen kann.

Die Sparkasse als öffentlich­es Gebäude sei auch für blinde und sehbe­hin­derte Men­schen eine gefährliche Stolper­falle. „Leute mit diesem Hand­i­cap bemän­geln, dass die Ein­gangsstufen keine Markierun­gen haben, an denen sie sich ori­en­tieren kön­nen – ein Sturz sei da pro­gram­miert“, sagt Moni­ka Bark (63) aus Nauen, die selb­st seit 1993 im Roll­stuhl sitzt und Mit­glied im All­ge­meinen Behin­derten­ver­band Land Bran­den­burg ist. Bis vor drei Jahren war sie noch die Vor­sitzende vom Behin­derten­ver­band Nauen.

Schon 1997 hat­te sie einen ersten Rundgang durch die Stadt organ­isiert, um Stolper­fall­en für Leute mit Hand­i­cap aufzuzeigen. Viel habe sich seit­dem getan. So wurde investiert, um Straßen­züge behin­derten­gerecht auszubauen, Gehwege wur­den abge­senkt, Laden­mi­eter haben sich Ram­p­en angeschafft, um auch Roll­stuhlfahrern Zugang zu ermöglichen. „Rund um die Damm­straße und am Bahn­hof zum Beispiel ist inzwis­chen alles behin­derten­gerecht“, sagt Moni­ka Bark. „Dort gibt es behin­derten­gerechte Park­plätze, Zugänge und Straßen.“

Oft ist in Roll­stuhlhöhe wie bei der Bäck­erei „Schäfer’s Brot- und Kuchen-Spezial­itäten“ in der Berlin­er Straße 7c eine Klin­gel ange­bracht, um so Hil­fe beim Ein­lass zu bekommen.

Die elektrische Rollstuhlrampe an der „Neuen Apotheke“ ist vorbildlich

Thomas Georgiew, Inhab­er von der „Neuen Apotheke“ in der Berlin­er Straße 9, hat sog­ar in eine elek­trische Roll­stuhlrampe investiert. „Ich ver­ste­he nicht, warum das nicht am Gebäude möglich sein soll, in das sich die Sparkasse eingemietet hat“, sagt Moni­ka Bark. „In Nauen leben doch so viele alte Leute, die auch mit dem Rol­la­tor unter­wegs sind und Schwierigkeit­en haben, Trep­pen zu steigen“, sagt Moni­ka Bark, die seit 1978 in Nauen wohnt.

Sie und andere Rol­li-Fahrer bemän­geln auch, dass an eini­gen Eck­en in der Stadt wie an der Goethes­traße lose Kopf­steinpflaster­steine rum­liegen. „Die Gehwege sind zum Teil so schmal und die Bor­d­steinkan­ten so hoch, dass man beim Auswe­ich­manöver mit dem Rol­li abstürzen kön­nte“, befürchtet die Seniorin.

Auch Rol­li­fahrerin Jacque­line Pis­tolozi aus Nauen bemän­gelt das. Selb­st abge­senk­te Bürg­er­steige wie in der Mittelstraße/ Ecke Paul-Jerchel-Straße, wo auch das Amts­gericht Nauen ist, seien zum Teil noch so steil, dass sie sich mit ihrem leicht­en Kom­bi-Roll­stuhl, der sowohl manuell und elek­trisch betrieben wird, oft nur rück­wärts­fahrend run­terz­u­fahren traut. „Dann kann ich mein Gewicht nach vorne ver­lagern und habe nicht die Angst wie beim Vor­wärts­fahren, vorne überzukip­pen“, sagt die Früh-Rent­ner­in. Erst 2017 war die Berliner­in nach Nauen gezo­gen, weil sie hier eine behin­derten­gerechte Woh­nung gefun­den hat. „Mein Friseur ‚Kopf-Salat’ zum Beispiel, kann ich nur über Trep­pen erre­ichen. Zum Glück kann ich noch mit Krück­en wenige Meter gehen, anson­sten wäre ich aufgeschmissen.“

Friseurmeis­terin Susan Czar­net­z­ki weiß um das Trep­pen-Prob­lem. „Wir haben das schon mehrmals bei der Hausver­wal­tung ange­sprochen. Die Umset­zung ein­er Rampe ist an dieser Stelle schwierig. Aber wir helfen unseren gehbe­hin­derten Kun­den gern die Trep­pen hoch. Über einen Hin­terein­gang ist der Zugang in unseren Salon auch einfacher.“

Nauens Rol­li-Fahrer hof­fen, dass an schlim­men Stolper­stellen wie an der Sparkasse endlich Abhil­fe geschaf­fen wird.

Und was sagt der Land­kreis als Eigen­tümer des Gebäudes, in das sich die MBS eingemietet hat? Land­kreis-Sprecherin Vanes­sa Mehwitz: „Das Prob­lem des fehlen­den behin­derten­gerecht­en Zugangs zur MBS ist bekan­nt. Bere­its vor einiger Zeit wurde der Bau ein­er Rampe am MBS-Zugang unter­sucht. Wegen des durch den rel­a­tiv schmalen Gehweg aufge­wor­fe­nen Platzprob­lems wurde diese Lösung sein­erzeit ver­wor­fen. Um hier einen für alle Beteiligten zufrieden­stel­len­den und funk­tion­ieren­den Zus­tand zu schaf­fen, bedarf es ein­er umfassenderen Betra­ch­tung, in die auch die Stadt Nauen als Eigen­tümerin des Gehwegs und der angren­zen­den Stellplätze einzubeziehen ist.“

Aber: Kraft des Bran­den­bur­gis­chem Denkmalschutzge­set­zes haben Denkmalschutz und Denkmalpflege die Belange von Men­schen mit Behin­derung zu berück­sichti­gen. Die Anbringung von behin­derten­gerecht­en Ram­p­en oder Roll­stuhl-Liften in Ein­gangszo­nen wie bei der „Neuen Apotheke“ sei gängige Prax­is in der Denkmalpflege.

Voraus­set­zung ist, dass der­lei Maß­nah­men auch bauord­nungsrechtlich genehmi­gungs­fähig sind“, sagt Vanes­sa Mehwitz. „Sollte die beengte Straßen­vor­zone am MBS-Zugang sich per­spek­tivisch verän­dern lassen und dadurch eine Rampe ermöglichen, so wird die Untere Denkmalschutzbe­hörde sich eines solchen Vorhabens annehmen und die Lösungsmöglichkeit­en klären, ide­al­er­weise bei einem Ortstermin.“

Die MBS teilte auf MAZ-Anfrage mit, dass die Mitar­beit­er gerne Roll­stuhlfahrern behil­flich sind. Peter Forin und anderen Men­schen mit Hand­i­cap nützt das nichts, weil ihre E‑Rollis zu schw­er zum Anheben sind.

Bezüglich der losen Pflaster­steine wollte sich die Stadt Nauen nicht äußern, da die Stip­pvis­ite mit den Rol­li-Fahrern pri­vater Natur war und regelmäßige Bege­hun­gen mit dem Behin­derten­ver­band Osthavel­land stat­tfän­den, um Män­gel aufzuzeigen.






Quelle: Inforiot.de