Obwohl Peter Fiorin (70) nur 900 Meter entfernt von der Mittelbrandenburgischen Sparkasse (MBS) in Nauen wohnt, muss er sich für jeden Besuch in der Goethestraße 59 ein Taxi auf eigene Rechnung nehmen. Trotzdem kommt der Rollstuhlfahrer dann nicht in die MBS rein. Denn sie hat keinen behindertengerechten Zugang. „Ich muss klingeln, dann schleppen mich die Banker samt Rollstuhl in die Sparkasse rein“, sagt Peter Fiorin. Mit seinem anderen Elektro-Rolli könnte er auch selbst zur Bank fahren und sich das Taxigeld sparen. „Doch der E‑Rolli ist so schwer, dass den auch der kräftigste Banker nicht anheben könnte. Also muss ich den leichten Rolli und das Taxi nehmen“, sagt Peter Fiorin, der aus gesundheitlichen Gründen die 900 Meter manuell nicht bewältigen kann.
Die Sparkasse als öffentliches Gebäude sei auch für blinde und sehbehinderte Menschen eine gefährliche Stolperfalle. „Leute mit diesem Handicap bemängeln, dass die Eingangsstufen keine Markierungen haben, an denen sie sich orientieren können – ein Sturz sei da programmiert“, sagt Monika Bark (63) aus Nauen, die selbst seit 1993 im Rollstuhl sitzt und Mitglied im Allgemeinen Behindertenverband Land Brandenburg ist. Bis vor drei Jahren war sie noch die Vorsitzende vom Behindertenverband Nauen.
Schon 1997 hatte sie einen ersten Rundgang durch die Stadt organisiert, um Stolperfallen für Leute mit Handicap aufzuzeigen. Viel habe sich seitdem getan. So wurde investiert, um Straßenzüge behindertengerecht auszubauen, Gehwege wurden abgesenkt, Ladenmieter haben sich Rampen angeschafft, um auch Rollstuhlfahrern Zugang zu ermöglichen. „Rund um die Dammstraße und am Bahnhof zum Beispiel ist inzwischen alles behindertengerecht“, sagt Monika Bark. „Dort gibt es behindertengerechte Parkplätze, Zugänge und Straßen.“
Oft ist in Rollstuhlhöhe wie bei der Bäckerei „Schäfer’s Brot- und Kuchen-Spezialitäten“ in der Berliner Straße 7c eine Klingel angebracht, um so Hilfe beim Einlass zu bekommen.
Die elektrische Rollstuhlrampe an der „Neuen Apotheke“ ist vorbildlich
Thomas Georgiew, Inhaber von der „Neuen Apotheke“ in der Berliner Straße 9, hat sogar in eine elektrische Rollstuhlrampe investiert. „Ich verstehe nicht, warum das nicht am Gebäude möglich sein soll, in das sich die Sparkasse eingemietet hat“, sagt Monika Bark. „In Nauen leben doch so viele alte Leute, die auch mit dem Rollator unterwegs sind und Schwierigkeiten haben, Treppen zu steigen“, sagt Monika Bark, die seit 1978 in Nauen wohnt.
Sie und andere Rolli-Fahrer bemängeln auch, dass an einigen Ecken in der Stadt wie an der Goethestraße lose Kopfsteinpflastersteine rumliegen. „Die Gehwege sind zum Teil so schmal und die Bordsteinkanten so hoch, dass man beim Ausweichmanöver mit dem Rolli abstürzen könnte“, befürchtet die Seniorin.
Auch Rollifahrerin Jacqueline Pistolozi aus Nauen bemängelt das. Selbst abgesenkte Bürgersteige wie in der Mittelstraße/ Ecke Paul-Jerchel-Straße, wo auch das Amtsgericht Nauen ist, seien zum Teil noch so steil, dass sie sich mit ihrem leichten Kombi-Rollstuhl, der sowohl manuell und elektrisch betrieben wird, oft nur rückwärtsfahrend runterzufahren traut. „Dann kann ich mein Gewicht nach vorne verlagern und habe nicht die Angst wie beim Vorwärtsfahren, vorne überzukippen“, sagt die Früh-Rentnerin. Erst 2017 war die Berlinerin nach Nauen gezogen, weil sie hier eine behindertengerechte Wohnung gefunden hat. „Mein Friseur ‚Kopf-Salat’ zum Beispiel, kann ich nur über Treppen erreichen. Zum Glück kann ich noch mit Krücken wenige Meter gehen, ansonsten wäre ich aufgeschmissen.“
Friseurmeisterin Susan Czarnetzki weiß um das Treppen-Problem. „Wir haben das schon mehrmals bei der Hausverwaltung angesprochen. Die Umsetzung einer Rampe ist an dieser Stelle schwierig. Aber wir helfen unseren gehbehinderten Kunden gern die Treppen hoch. Über einen Hintereingang ist der Zugang in unseren Salon auch einfacher.“
Nauens Rolli-Fahrer hoffen, dass an schlimmen Stolperstellen wie an der Sparkasse endlich Abhilfe geschaffen wird.
Und was sagt der Landkreis als Eigentümer des Gebäudes, in das sich die MBS eingemietet hat? Landkreis-Sprecherin Vanessa Mehwitz: „Das Problem des fehlenden behindertengerechten Zugangs zur MBS ist bekannt. Bereits vor einiger Zeit wurde der Bau einer Rampe am MBS-Zugang untersucht. Wegen des durch den relativ schmalen Gehweg aufgeworfenen Platzproblems wurde diese Lösung seinerzeit verworfen. Um hier einen für alle Beteiligten zufriedenstellenden und funktionierenden Zustand zu schaffen, bedarf es einer umfassenderen Betrachtung, in die auch die Stadt Nauen als Eigentümerin des Gehwegs und der angrenzenden Stellplätze einzubeziehen ist.“
Aber: Kraft des Brandenburgischem Denkmalschutzgesetzes haben Denkmalschutz und Denkmalpflege die Belange von Menschen mit Behinderung zu berücksichtigen. Die Anbringung von behindertengerechten Rampen oder Rollstuhl-Liften in Eingangszonen wie bei der „Neuen Apotheke“ sei gängige Praxis in der Denkmalpflege.
„Voraussetzung ist, dass derlei Maßnahmen auch bauordnungsrechtlich genehmigungsfähig sind“, sagt Vanessa Mehwitz. „Sollte die beengte Straßenvorzone am MBS-Zugang sich perspektivisch verändern lassen und dadurch eine Rampe ermöglichen, so wird die Untere Denkmalschutzbehörde sich eines solchen Vorhabens annehmen und die Lösungsmöglichkeiten klären, idealerweise bei einem Ortstermin.“
Die MBS teilte auf MAZ-Anfrage mit, dass die Mitarbeiter gerne Rollstuhlfahrern behilflich sind. Peter Forin und anderen Menschen mit Handicap nützt das nichts, weil ihre E‑Rollis zu schwer zum Anheben sind.
Bezüglich der losen Pflastersteine wollte sich die Stadt Nauen nicht äußern, da die Stippvisite mit den Rolli-Fahrern privater Natur war und regelmäßige Begehungen mit dem Behindertenverband Osthavelland stattfänden, um Mängel aufzuzeigen.
Quelle: Inforiot.de