Am 4. Dezember haben wir uns als AG Feministischer Streik an der antifaschistischen Demonstration anlĂ€sslich des letzten Aufmarsches von Corona-Leugner:innen und Impfgegner:innen in Wien beteiligt. Organisiert wurde die Demonstration von einem breiten BĂŒndnis, dessen vielfĂ€ltige Perspektiven sich auch in den RedebeitrĂ€gen widerspiegelte. Ein ausfĂŒhrlicher Bericht lĂ€sst sich u.a. im Mosaik Blog nachlesen (1). In gröĂeren Medien kam diese linke Antwort auf die Schwurbel- AufmĂ€rsche von denen regelmĂ€Ăig antisemitische und rassistische Angriffe und Relativierung der Shoah ausgehen nur als âGegendemonstrationâ vor. Inhalte, die einen kritischen Blick auf das Vorgehen der Regierung und unterschiedliche strukturelle Betroffenheiten durch die Pandemie und auch die MaĂnahmen formulieren, blieben weitestgehend unerwĂ€hnt. Es steht also auĂer Frage, dass wir uns als Feminist:innen und Linke weiter und mehr darum bemĂŒhen mĂŒssen eigene Positionen sichtbar zu machen und BĂŒndnisse zu schlieĂen, die ĂŒber einen engen Kreis hinausreichen, auch (aber nicht nur) um in das mittlerweise offen von Rechtsextremen angefĂŒhrte Treiben auf der StraĂe intervenieren zu können.
Aber was wir in den letzten Tagen auf Mailinglisten, Social Media Plattformen und persönlichen Diskussionen beobachtet haben, macht uns wĂŒtend und lĂ€sst uns ehrlicherweise auch erschrocken zurĂŒck. Am 10. Dezember soll eine Kundgebung unter dem Motto âGegen den Impzwang und digitale Ăberwachung – Selbstbestimmung statt Elitenherrschaftâ stattfinden. Unter anderem ein von âAutonomen Feministinnenâ unterzeichneter Aufruf macht die Runde, der dazu aufruft, sich als linke Feminist:innen der Demonstration anzuschlieĂen. Dieser Aufruf vermischt und verwischt richtige und wichtige feministische Kritik an Staat und Gesellschaft in Zeiten der Pandemie (Arbeitsbedingungen im Care- Bereich, Anstieg von patriarchaler Gewalt und Feminiziden, repressive und autoritĂ€re Reaktion vom Staat auf die PandemieâŠ) mit einer imaginierten Bedrohung durch den Impfstoff. Argumentiert wird aus einer strikt techonologiefeindlichen Position, verwiesen wird auf KĂ€mpfe der Frauenbewegung gegen Gentechnik und -manipulation. Auch wird das hĂ€ufig formulierte Unbehagen vor “KĂŒnstlichem” oder “Technischem” mit einer Affirmation alles vermeintlich NatĂŒrlichen beantwortet, einer groben und undifferenzierten Zweiteilung, die der feministischen Ăberwindung etwa binĂ€rer Geschlechtszuschreibungen entgegensteht. Geteilt wird dabei nicht nur Impf-Desinformation und Wissenschaftsfeindlichkeit. Mit Begriffen wie “Elitenherrschaft” oder der indirekten Unterstellung, Wissenschaftler*innen und Ărzte*innen wĂŒrden ĂŒber ein “geheimes Wissen” verfĂŒgen, drĂ€ngt sich auch der Eindruck auf, dass komplexe und widersprĂŒchliche HerrschaftsverhĂ€ltnisse in einem gefĂ€hrlich vereinfachenden Muster aus “wir” gegen “die da oben” aufzulösen versucht werden. Es ensteht also ein wilder Rundumschlag, der es irgendwie schaffen will, den Kampf gegen patriarchale Gewalt mit Protest gegen die Impfpflicht zu verknĂŒpfen, ganz im Sinne der Aneignung des âMy Body, my Choiceâ Slogans durch Impfgegner:innen. Hier sei kurz darauf verwiesen, dass â
My Body, My Choiceâ, wenn von Impfgegner:innen (beispielsweise im Aufruf zur Demonstration aufgegriffen) aufgesagt, ĂŒber ein egoistisches Moment nicht weit hinausgeht – mit dem feministischen Kampf fĂŒr reproduktive Gerechtigkeit und gegen das Sterben durch unsichere Abtreibungen hat das wenig zu tun. Gegen die Impfung an sich und gleichzeitig fĂŒr eine Entlastung der Arbeiter:innen im Gesundheitsbereich zu argumentieren, ist ebenfalls auf vielen Ebenen widersprĂŒchlich.
Werfen wir einen kurzen Blick auf die Kundgebung zu der da aufgerufen wird:
Als Hauptredner:innen sind Michael Brunner, der Bundesobmann der MfG Partei, angefĂŒhrt. Diese behauptet zwar immer wieder, keine Single-Issue Politik zu machen, tritt aber unmissverstĂ€ndlich als Impfgegner:innen-Stimme und (noch schlimmer) mit missverstĂ€ndlichen, bis falschen Informationen ĂŒber die Wirkweise der Impfung auf. Viel Applaus fĂŒr diese Politik bekam MfG seit ihrer GrĂŒndung von rechter und rechtsextremer Seite. Weitere Redner:innen sind Bernhard Heinzlmaier, der als Jugendkulturforscher auf die Bedrohung durch die Antifa verweist und gleichzeitig rechtsextreme Strukturen verharmlost, sei es im geschriebenen Beitrag oder im GesprĂ€ch mit Götz Kubitschek bei Servus TV (2). Auch gelistet ist Wilhelm Langthaler von der Anti-Imperialistischen Koordination (AIK). Die AIK ist bekannt fĂŒr ihre Politik im Zeichen der Bildung einer antisemitischen Querfront gegen den Imperialismus.
Wilhelm Langthaler lieĂ sich in der Vergangenheit mit Patrick Poppel auf Veranstaltungen ablichten. Poppel war bis 2019 der Chef des Suworow-Institutes, das neben vermeintlichen Linken auch mit der FPĂ bestens vernetzt ist, wie Fotos mit ihm und Gudenus belegen, oder gleich in die neofaschistischen Kreise des ehemaligen Bundessprecher der âIdentitĂ€renâ und âpatriotischen Aktivistenâ Alexander Markovics, der auch mal den Nationalbolschewisten und ausgewiesenen Faschisten Alexander Dugin nach Wien einlud.(3)
Maria Wölfingseder gibt uns ein gröĂeres RĂ€tsel auf, da sie uns bekannt ist als Expertin zu Esoterik und Rechtsextremismus, Kritik von Lohnarbeit und Leistungsgesellschaft und anderen wichtigen Themen. Auch sie ist als Rednerin gelistet.
Und an dieser Stelle sind nur ein paar Beispiele genannt.
Generell findet man auf der Website, die die Demonstration ankĂŒndigt, wenig Informationen. Weder wird transparent gemacht, aus welchen politischen Organisationen die Redner:innen kommen, noch gibt es irgendeine direkte Weiterleitung zu einem Aufruf. Kein Wunder, dass die FPĂ diese Demonstration bereits in ihrem Demokalender eingetragen hat, gibt es doch keine ReibungsflĂ€che mit der rechten Hetze nach âWir sind das Volkâ-Manier.
Was wir hier beobachten können ist eine Vermischung (vermeintlich) linker Positionen mit rechten
Strukturen, alles unter den Schlagwörtern âFreiheit, Demokratie, Grundrechteâ. Diese Begriffe bleiben erstmal leer und funktionieren genau deswegen auch so gut. So können sich alle ihre ganz individuelle Vorstellung von Freiheit machen, vor allem ihrer eigenen Freiheit, denn die Freiheit der anderen bleibt eine Phrase. Von der Person die Corona leugnet und fĂŒr eine groĂe Verschwörung hĂ€lt, ĂŒber die Person, der es schlicht und einfach zu anstrengend ist, eine Maske zu tragen, bis hin zu Rechtsextremen, die eine Chance wittern, ihre nationalistischen, rassistischen und sozialdarwinistischen Ideologien noch salonfĂ€higer zu machen.
Das kennen wir schon, das ist die Dynamik, die wir seit Monaten bei den GroĂaufmĂ€rschen der Impfgegner:innen, Coronaleugner:innen etc. beobachten können.
Wenn nun aber linke und feministische Gruppen zu Veranstaltungen wie der Demonstration am 10. Dezember aufrufen, stehen wir vor einem Dammbruch der nĂ€chsten Stufe hin zu einer Querfrontbildung, von der aus emanzipatorischer Sicht nichts zu holen ist. Linke und feministische Teilnahme legitimiert lediglich reaktionĂ€re Redner:innen und Positionen, macht die Veranstaltung und damit die BĂŒhne gröĂer. Sie versperrt den Blick darauf, wer in unserer Gesellschaft wann und wie vulnerabel ist.
Deswegen rufen wir an dieser Stelle und zum Abschluss alle Feminist:innen auf:
Vernetzen wir uns, streiten wir uns, organisieren wir uns, um einen solidarischen und kritischen Weg durch die Pandemie zu finden. Erarbeiten wir uns Positionen, die WidersprĂŒche aushalten und unversöhnlich bleiben. Aber, liebe Genoss:innen, lasst uns niemals unsere antifaschistische Haltung verwĂ€ssern, lasst uns niemals mit reaktionĂ€ren Positionen das Mikrophon hin- und herreichen. Bleiben wir unversöhnlich mit Staat und Kapital. Aber auf eine Art und Weise, die niemals rassistischen, antisemitischen und antifeministischen Stimmen eine BĂŒhne gibt.
Niemals.
Eure Autonomen Feminist:innen der AG Feministischer Streik der Plattform Radikale Linke
Foto: kickthemout.noblogs.org // @KickThemOut161
1) https://mosaik-blog.at/corona-demo-linke-antwort/
2) https://exxpress.at/bernhard-krumpel-es-macht-einfach-spass-den-bullen-eins-in-die-fresse-zu-hauen/
https://www.diepresse.com/5607683/servus-tv-begluckt-einen-radikalen-denker-der-neuen-rechten
3) https://www.derstandard.at/story/2000042003825/sputnik-gudenus-identitaere-russisch-rechtes-rendezvous-in-wien?fbclid=IwAR24V-SXVs8DZWidlfAzr9tWl0_lvjK4CTpz6U8oHl-WxA5DIq70WyyE9GI
Quelle: Emrawi.org