
»Das war mit Sicherheit kein guter Tag fĂŒr die Wissenschaftsfreiheit«, urteilte Winfried SĂŒĂ vom Leibniz-Zentrum fĂŒr Zeithistorische Forschung Potsdam am Donnerstag im Landgericht Berlin. Wenn man nur noch das sagen dĂŒrfe, was die Hohenzollern mit Sicherheit nicht juristisch angreifen, werde der Spielraum fĂŒr Historiker sehr eng.
Zu diesem Zeitpunkt hatte Richter Holger Thiel die Verhandlung bereits beendet, aber noch keine Entscheidung verkĂŒndet. Erst ein paar Stunden spĂ€ter teilte das Gericht mit, dass SĂŒĂ weiterhin die ĂuĂerung untersagt bleibe, Georg Friedrich Prinz von PreuĂenhabe ein Mitspracherecht bei der historischen Darstellung seiner Familie in vom Staat finanzierten Museen gefordert. Die entsprechende einstweilige VerfĂŒgung gegen SĂŒĂ vom 12. November 2019 wurde vom Gericht bestĂ€tigt. »Wegen der weiteren Einzelheiten mĂŒssen die schriftlichen UrteilsgrĂŒnde abgewartet werden«, hieĂ es. Das Urteil sei noch nicht rechtskrĂ€ftig. Es könne Berufung dagegen eingelegt werden.
Bereits zuvor hatte sich in der Verhandlung abgezeichnet, dass Winfried SĂŒĂ verlieren wĂŒrde. Denn den Hohenzollern lĂ€sst sich nicht nachweisen, dass sie ein solches Mitspracherecht bei der Darstellung der Geschichte ihrer Familie in staatlich finanzierten Museen verlangt hĂ€tten. Historiker SĂŒĂ hatte sich zu der Frage in einem Radiointerview geĂ€uĂert.
»Es wĂ€re wirklich empörend, wenn mein Mandant eine solche Forderung aufgestellt hĂ€tte«, bestĂ€tigte Markus Hennig, Anwalt von Georg Friedrich Prinz von PreuĂen. Das habe er aber nicht getan. »Die Ăffentlichkeit soll eine Diskussion fĂŒhren«, rĂ€umte Hennig bereitwillig ein. »Aber aufgrund von Fakten, die stimmen.«
In einem Vertragsentwurf war die Rede von einem Mitspracherecht bei Dauerleihgaben an das Deutsche Historische Museum. Aber darauf könne sich SĂŒĂ nicht berufen, deutete Richter Thiel in der Verhandlung an. Das durchaus ĂŒbliche Mitspracherecht bei Leihgaben, das mit einem Mustervertrag eingerĂ€umt werden sollte, sei nicht mit einer Mitbestimmung ĂŒber die historische Einordnung der Exponate zu verwechseln. Das könne man nicht so verstehen, dass Georg Friedrich Prinz von PreuĂen sich die Mitbestimmung ĂŒber die historische Darstellung sichern wollte. Man könne zwar diskutieren, ob ĂŒber das ZurĂŒckziehen von Dauerleihgaben doch Einfluss auf die historische Einordnung genommen werden könne. Aber das sei eine andere Frage. Hier gehe es allein darum, ob SĂŒĂ eine zulĂ€ssige Meinung geĂ€uĂert oder eine unzulĂ€ssige falsche Tatsachenbehauptung aufgestellt habe.
Es sei keine Tatsachenbehauptung gewesen, argumentierte Stefan Söder, der Anwalt von SĂŒĂ. Der Historiker sei zu der Erkenntnis gelangt, dass sich aus den Forderungen der Hohenzollern eine zu weit gehende Mitwirkungsmöglichkeit fĂŒr die Hohenzollern ergebe. Indirekt ergebe sich »auf jeden Fall« ein Mitspracherecht. »Die Dauerleihgaben prĂ€gen zwingend die Darstellung der Familie«, sagte Söder. Historiker SĂŒĂ sei als Fachmann im Radiointerview um eine EinschĂ€tzung gebeten worden und habe seine Meinung geĂ€uĂert.
Diese Argumentation konnten der Vorsitzende Richter und seine Beisitzerinnen jedoch nicht nachvollziehen. Das Wort »Dauerleihgabe« komme in der Passage des Interviews ĂŒberhaupt nicht vor, hielten sie SĂŒĂ und Söder entgegen.
SĂŒĂ erkannte, wohin die Reise geht, zeigte sich aber direkt im Anschluss an die Verhandlung zuversichtlich, dass – sollte er tatsĂ€chlich verlieren – die Entscheidung »in der zweiten Instanz korrigiert wird«. Er bedankte sich ausdrĂŒcklich fĂŒr die SolidaritĂ€t vieler Historikerkollegen. »Man sieht ja, dass der RĂŒckhalt der Hohenzollern in der Ăffentlichkeit schwindet«, meinte er noch.
Vielleicht hat sich die Angelegenheit aber auch schon erledigt. SĂŒĂ ist die ĂuĂerung ja bereits vor einem Jahr untersagt worden. »Ich werde meinerseits unabhĂ€ngig vom Ausgang des heutigen Verfahrens keine weiteren Schritte in der Sache unternehmen«, erklĂ€rte Georg Friedrich Prinz von PreuĂen. Ihm sei es um die richtige Darstellung von Fakten gegangen. Das sei geschehen. »Deshalb möchte ich den Vorgang auf sich beruhen lassen«, betonte er. »Ich schĂ€tze ausdrĂŒcklich die wissenschaftliche Arbeit von Winfried SĂŒĂ und seinen Kolleginnen und Kollegen vom Potsdamer Leibniz-Zentrum fĂŒr Zeithistorische Forschung.«
Die Hohenzollern sind wegen verschiedener ĂuĂerungen gegen Historiker, Journalisten und gegen Politiker der Linkspartei juristisch vorgegangen. Wie viele FĂ€lle es gab, lieĂ sich jetzt nicht in Erfahrung bringen. Das Landgericht fĂŒhrt keine Statistik, und von den Hohenzollern heiĂt es lediglich, es habe keine Klagewelle gegeben. Gegen Historiker sei man seit 2019 nicht mehr vorgegangen, da gebe es auĂer SĂŒĂ nur noch einen offenen Fall. Journalisten und Politiker haben derweil auch in jĂŒngster Zeit Post von Anwalt Hennig bekommen.
Quelle: Inforiot.de