Im Gegenteil, Kolonialverbrechern wie Mussolinis âVizekönigâ Rodolfo Graziani wird in Affilebei Rom ein Ehrendenkmal errichtet und im Jahr 2020 öffnet die âMostra dâoltre Mareâ, die damalige faschistische Kolonialschau (siehe Artikel Abbamagal), wieder ihre Tore! Im ganzen Land gibt es unzĂ€hlige StraĂen, die immer noch nach Kolonialverbrechern benannt sind und Orte, welche Kolonialgeschichte bagatellisieren oder gar verherrlichen.
Die von 1936 bis 1941 bestehende Kolonie des faschistischen Italiens wurde von den Imperialist*innen âItalienisch-Ostafrikaâ genannt. Darunter fielen Gebiete wie das heutige Eritrea, Teile Somalias und Abessinien (heute Ăthiopien). Besonders die Besatzungsherrschaft in Ăthiopien war von auĂerordentlicher BrutalitĂ€t und Grausamkeit gekennzeichnet. Insgesamt fielen dem faschistischen Kolonialregime zwischen 150.000 und 700.000 Ăthiopier*innen zum Opfer.
Der 19. Februar markiert den Jahrestag des Pogroms von Addis Abeba. Zwischen dem 19. und dem 23. Februar 1937 wurden in der Hauptstadt von den faschistischen Soldaten gezielt Schwarze Bewohner*innen ermordet. Die Faschisten fĂŒhrten Massenexekutionen durch, es kam zu Misshandlungen, PlĂŒnderungen und dem Niederbrennen tausender HĂ€user in der Stadt.
Kurz vorher hatte es einen Anschlag auf den Faschisten Rodolfo Graziani gegeben, der schwer verletzt ĂŒberlebte. Die Faschisten bekamen daraufhin einen dreitĂ€gigen âFreibriefâ um sich uneingeschrĂ€nkt an der kolonisierten Bevölkerung zu rĂ€chen. Dunkelziffern zu Folge fielen etwa 20 % der damaligen Stadtbevölkerung dem faschistischen Pogrom zum Opfer. Auch SĂŒdtiroler waren an den GrĂ€ueltaten beteilitgt, doch eine Aufarbeitung oder Erinnern bleibt bisher weitgehend aus. Ăber 1.300 SĂŒdtiroler waren im damaligen Abessinien stationiert. Erinnert wird daran kaum und wenn dann lĂŒckenhaft oder gar verfĂ€lscht.
Im Jahr 2009 stellt die SĂŒdtiroler Freiheit einen Antrag, um unter anderem die faschistischen Gewaltverbrechen in Ăthiopien als Genozid anzuerkennen. Die Beteiligung von SĂŒdtirolern wird darin nicht erwĂ€hnt. Zudem fehlt die Forderung, aus dem Gedenken historische Verantwortung zu ziehen, oder koloniale KontinuitĂ€ten im Lande kritisch aufzudecken. Das Wort Rassismus kommt darin auch nicht vor. Es ist eine weiter Instrumentalisierung dieser reaktionĂ€ren Partei, um sich unter vermeintlichem Gerechtigkeitsanspruch populistisch vom Staat Italien abzugrenzen.
Wir hingegen fordern ein antifaschistisches Gedenken. Ein Gedenken, aus dem die Verantwortung erwĂ€chst, dass wir so etwas nicht mehr zulassen dĂŒrfen. Ein Gedenken, welches die Kolonialgeschichte Italiens offenlegt und die KontinuitĂ€ten, wie den tief verankerten Rassismus in unserer Gesellschaft bekĂ€mpft.
Die Spuren der verschwiegenen Kolonialgeschichte Italiens finden sich auch in SĂŒdtirol. Neben Rom und Turin finden sich vor allem in Bozen, aber auch Meran, Brixen und Bruneck, viele dieser Spuren:
in Bozen beispielsweise die Amba-Alagi-StraĂe, die Antonio-Locatelli-StraĂe, die Padre-Reginaldo-Giuliani-StraĂe, die TripolisstraĂe, die SiegessĂ€ule hinter dem Siegesdenkmal und die Otto-Huber-Kaserne;
in Meran das Alpini-Denkmal, die Otto-Huber-StraĂe und die Wackernell-Gedenktafel;
in Brixen die Sader-GedenkstÀtte;
in Bruneck das Alpini-Denkmal;
zudem die Antonio-Locatelli-HĂŒtte (DreizinnenhĂŒtte) in den Sextner Dolomiten.
Die meisten dieser Spuren sind in der interaktiven Karte Viva Zeraiverzeichnet, fĂŒr Bozen ist ein Blick auf die Seite postcolonialitaly lohnenswert (kurzer Ăberblick auf Deutsch bei BBD).
FĂŒr den 19. Februar, dem Jahrestag des Pogroms von Addis Abeba, ruft das Wu-Ming-Kollektiv zu einem Aktionstag mit direkten, dezentralen Aktionen auf, um die Spuren der Kolonialgeschichte sichtbar zu machen: Durch Farbmarkierungen, Ăberkleben, Informationsschildern oder Ă€hnlichem. Diesem Aufruf schlieĂen wir uns an.
Denn Geschichte lebt zwischen uns weiter, und die Art wie wir auf sie in der Gegenwart einwirken, nimmt Einfluss auf unsere Zukunft. Die italienische Kolonialgeschichte ist geprÀgt von Menschenverachtung, BrutalitÀt und Faschismus. Die Orte des Verbrechens sollten die Namen des Widerstands tragen.
Lasst uns den Opfern gedenken und ein antifaschistisches Versprechen abgegeben: Nie wieder Krieg! Nie wieder Faschismus!
P.S.: Buchtip: Francesca Melandri – “Alle, auĂer mir!
Quelle: Emrawi.org