November 1, 2021
Von InfoRiot
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Verschwörungsgläubige

Was tun, wenn der Onkel die Familienfeier mit seinen Corona-Theorien sprengt?

01.11.21 | 18:46 Uhr

In Brandenburg gibt es erstmals ein Beratungsangebot für Hilfesuchende, die sich von Verschwörungsgläubigen bedrängt fühlen. Der Bedarf sei groß, meinen die BeraterInnen. Von Thomas Bittner

War die Corona-Pandemie von langer Hand geplant? Haben sich skrupellose Eliten die Impfkampagnen ausgedacht? Tragen wir Masken als Zeichen der Unterwerfung in einer Corona-Diktatur?

Manchmal beginnt ein großes Zerwürfnis mit solchen Fragen. Ein Bruder, eine Freundin oder ein Ehemann konfrontieren ihre Umgebung mit Verschwörungserzählungen. Sie sehen dunkle Mächte und korruptes Establishment am Werk. Die ganze böse Wahrheit werde eines Tages ans Licht kommen. Die AnhängerInnen solcher Vorstellungen bestätigen sich oft gegenseitig. Faktendiskussionen erreichen sie nicht. So manche Party oder Familienfeier wird gesprengt.

Und Bekannte, Kollegen, Nachbarn stehen plötzlich verunsichert und ratlos da. Was ist da passiert? Wie sollen sie den Alltag mit solchen Menschen bewältigen?

Projekt “Mitmensch” vorgestellt

Das Brandenburger demos-Institut für Gemeinwesenberatung [gemeinwesenberatung-demos.de], bisher spezialisiert auf den Umgang mit Populisten und Extremisten, will Betroffenen helfen. Das Projekt “Mitmensch” bietet zukünftig Beratung an, am Montag wurde es in der Landespressekonferenz vorgestellt. In Berlin gibt es solche Angebote schon seit dem Frühjahr, dort gebe es bereits Wartelisten für Beratungssuchende. In Brandenburg gibt es bisher keine Angebote.

Schwarz-Weiß-Malerei zwischen Gut und Böse

Die Zahl der Anhänger von Verschwörungserzählungen habe mit der Corona-Pandemie deutlich zugenommen, sagt Markus Klein, Geschäftsführer des Demos-Instituts. “Verschwörungsgläubige teilen die Welt in Gut und Böse ein und unterstellen den handelnden Politikern einen großen Plan, den nur die Verschwörungstheoretiker erkannt haben.”

Für Angehörige oder Arbeitskollegen könne dies zu sehr belastenden Situationen führen, sagte Klein. Entsprechend habe es zunehmend Anfragen gegeben. Mit kostenloser, streng vertraulicher und persönlicher Beratung, auf Wunsch auch online, helfen Experten.

Mitmenschen stärken

“Unser Angebot zielt nicht darauf, Schiedsrichter zu sein, und zu sagen: das ist richtig und das ist falsch”, so Klein. Es gehe darum, die Mitmenschen zu stärken. “Wie ist die Beziehung zu dem Verschwörungserzählenden? Und was kann man da tun, um diese Beziehung zu stärken?”

Steffie Bahro aus dem “Mitmensch”-Team berichtete über eine Beratung in jüngster Zeit. Eltern hatten nachgefragt, weil der verschwörungsgläubige Vater einer Schulfreundin ihres Kindes für Unruhe gesorgt hatte. Sollten die Kinder weiter befreundet bleiben? Über solche und ähnliche Fragen wird dann intensiv gesprochen.

Es sei auch möglich, Menschen zu beraten, die erkennen, dass sie sich möglicherweise verrannt haben und sich nun von der Szene distanzieren wollen. “Aber der Fokus liegt bei den Mitmenschen von Verschwörungsgläubigen”, so Janek Buchheim, der ebenfalls solche Beratungen durchführt. Die Menschen sollen Entlastung finden, indem sie die belastende Situation besser bewältigen.

Es könne manchmal aber auch um Trauerarbeit gehen, meint Buchheim. “Manchmal müssen wir auch Abschiedsarbeit moderieren, wenn es im Zweifelsfall das Hilfreichste für die belastete Person ist, die Beziehung abzubrechen.”

Argwohn und Zweifel

Der Glaube an Verschwörungserzählungen untergrabe das Vertrauen in das demokratische System und mache “Argwohn und Zweifel zur ständigen Maßgabe politischen Denkens”, heißt es in einem Flyer, der für das neue Angebot wirbt.

Das demos-Institut berät Kommunen und Vereine seit 2006 und bietet Hilfe zur Selbsthilfe gegen Gewalt, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit an.

Sendung: Inforadio, 01.11.2021, 15:25 Uhr




Quelle: Inforiot.de